Was macht bessere Touristen aus?
Wem Gott will rechte Gunst erweisen, den schickt er in die weite Welt, schreibt Joseph Freiherr von Eichendorff. Immanuel Kant findet: Reisen bildet. Oscar Wilde behauptet gar, Reisen veredele den Geist. Ausgehend von aktuellen Zahlen wären das heute knapp 1,1 Milliarden Gebildete mit veredeltem Geist, denen Gott die rechte Gunst erweist. Das reimt sich zwar, ist aber natürlich Quatsch. Es gibt heute so unglaublich dumme Reisen, dass Kant sich im Grabe umdrehen würde. Er hatte Leute wie Goethe und Winckelmann im Sinn, nicht eimersaufende Teutonenhorden.
Immerhin: Urlauber, die sich komplett danebenbenehmen, sind die Minderheit – Ballermänner taugen eben nicht als Maßstab, höchstens als Abschreckung. Damit sind die Übrigen aber noch nicht aus dem Schneider. Die Frage ist: Was macht bessere Touristen aus? Gibt es Merkmale, an denen ich verantwortlich Reisende erkennen kann? Diese 9 Tipps geben Orientierung, kosten nichts und sind leicht umzusetzen.
Spar dir deine Spontaneität für zuhause
Typische Unterhaltung unter Kollegen, im November. Sie: Ich muss dringend in die Sonne – hast du einen Tipp? Er: Karibik. Sie: Zu teuer, lieber näher. Er: Kanaren. Sie: Da waren wir schon. Er: Kapverden. Sie: Wo sind die noch mal? Er: Westafrikanische Küste. Sie: Ich weiß nicht. Was ist mit Ägypten – kann man da wieder hin? Er: Bestimmt. Ist billig.
Spontaneität ist ein Zeichen von Freiheit. Macht ja auch Spaß zu kaufen, worauf ich gerade Lust habe. Snacks, Klamotten, einen Teppich – einfach so, aus dem Bauch heraus. Nur: Wenn es darum geht, mal eben irgendwohin zu fliegen, wird’s schwierig. Für eine Woche am Strand blasen wir tonnenweise CO2 in die Luft. Egal oder nicht? Wenn die Antwort Nein heißt, ist das schon der erste Schritt. Der zweite wäre zu überlegen: Wenn ich schon nach Kuba oder auf die Malediven fliege, dann soll sich die Anreise auch lohnen. Also zwei Wochen Minimum.
Tipp 1 für bessere Touristen: Je länger die Fernreise, desto besser.
Erst träumen, dann reisen
Globetrotter müsste man sein: immer in Bewegung, die Welt als Zuhause, ewiger Urlaub. Aber wer kann sich das leisten? Also werde ich einfach Teilzeit-Globetrotter und sehe mir die Welt in Etappen an – günstige Pauschalangebote gibt es schließlich immer: im Februar ein bisschen Safari in Südafrika, im Sommer ein Abstecher nach Thailand zum Schnorcheln, im Herbst zum Indianersommer in die USA.
Aber reichen mir oberflächliche Schnuppertouren oder will ich wirklich etwas erleben? Ist doch nicht schlecht, zwei Jahre von Feuerland zu träumen und am Ende wirklich in dieser epischen Landschaft zu stehen. Ich geh ja auch nicht ins Kino, um mir nur Trailer anzusehen.
Tipp 2 für bessere Touristen: Je seltener die Fernreise, desto besser.
Mach dich schlau
Klar fahr ich nach Nordkorea – ist doch cool! Oder nach Burma – Rohingiya hin oder her! Vor der Küste von Somalia zu kreuzen würde mich auch mal reizen. Da scheint das alte Dilemma auf: Mache ich mich mit Schurken gemein, wenn ich Urlaub in Schurkenstaaten mache? Unterstütze ich bewaffnete Konflikte, wenn ich in oder in die Nähe von Kriegsgebieten reise? Es muss ja nicht gleich Nordkorea sein, Ägypten mit seiner Militärdiktatur reicht schon.
Eine Pauschalantwort gibt es nicht. Die Konventionen sagen: So etwas tut man nicht! Aber vielleicht gibt es – nur so als Beispiel – vor Ort gemeinschaftsbasierte Tourismusprojekte, die lokale Dorfstrukturen stärken, und zwar gerade in Opposition zur Staatsmacht. Wissen kann ich das nur, wenn ich mich vorher mit dem Land beschäftige, das ich besuchen will. Das gilt übrigens für alle Reiseländer, nicht nur die „schwierigen“.
Tipp 3 für bessere Touristen: Wer mehr weiß, sieht auch mehr.
Sei keine Dreckschleuder
In Deutschland häufen sich gerade die Beschwerden über steigende Preise für Inlandsflüge. Der Vorwurf: Durch die Pleite von Air Berlin nutze die Lufthansa ihre Monopolstellung aus und drehe an der Preisschraube. Das kann durchaus sein. Problematisch daran ist allerdings weniger die Preissteigerung als unsere Perspektive.
In den letzten 20 Jahren sind Flugtickets immer billiger geworden. Die Voraussetzungen sind günstig – dank dem Chicagoer Abkommen über die internationale Zivilluftfahrt. Schon im Dezember 1944 einigten sich dort 52 Staaten darauf, Flugtreibstoff von der Steuer zu befreien, um den Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg und die Weltwirtschaft zu fördern. Dieses Abkommen gilt bis heute, es wurde zwischenzeitlich von 192 Staaten ratifiziert.
Die Konsequenz: Die zivile Luftfahrt (in vielen Ländern auch die gewerbliche Schifffahrt) hat vor Straße und Schiene einen deutlichen Steuervorteil. Eigentlich müsste Fliegen viel teurer sein. Dazu kommt der Preiskampf der Billigflug-Airlines, der dazu führen könnte, dass Flugtickets eines Tages gar nichts mehr kosten. Ist das nicht super?
Kommt darauf an. Der Flugverkehr heizt den Klimawandel an – schon jetzt gehen fünf Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes auf das Konto von Flugzeugabgasen. Andererseits: Wenn ich mal eben nach – sagen wir – Rom und zurück fliege, macht das doch eigentlich so gut wie nichts aus. Stimmt! Allerdings dürfen die anderen 1,1 Milliarden Reisenden nicht dasselbe denken. Sonst drohen mehr Extremwetter, Klimaflüchtlinge, Typen wie Trump und all die anderen Dinge, über die wir uns so gerne aufregen.
Tipp 4 für bessere Touristen: Fahr sauberer – gib Bahn und Bus eine Chance!
Fühl dich wie zuhause
Jeder hat seine eigenen Vorstellungen, was Ordnung und Sauberkeit angeht. Auch die Umgangsformen sind unterschiedlich, je nach sozialer und kultureller Herkunft. Deshalb verreisen wir ja auch: um zu sehen, wie andere leben. Wenn dann auch noch T-Shirt-Wetter herrscht und die Straße zum Wohnzimmer wird – umso besser!
Aber ist es umgekehrt cool, wenn jede Nacht Betrunkene lautstark durch die eigene Nachbarschaft ziehen, ihre Bierbäuche zur Schau stellen oder sich aus allen Körperöffnungen entleeren, wo es ihnen gerade gefällt? Jeden Abend fremde Partys und ungehobelte Touristenhorden vor der eigenen Haustür, macht das Spaß? Das Problem an würdelosem Verhalten ist, dass es vor allem die unfreiwilligen Zuschauer entwürdigt. Ergo: Was zuhause nicht geht, geht im Urlaub erst recht nicht.
Tipp 5 für bessere Touristen: Sei kein Ballermann!
Tintenfisch statt Schnitzel
Die typischen Neckermänner von früher sterben allmählich aus, das ist gut so. Deutsche Touristen – zumindest die, die weiter reisen als ins deutschsprachige Ausland – werden offener und neugieriger, was das kulinarische und kulturelle Angebot im Gastland angeht. Trotzdem gibt es immer noch schnitzelessende Sandalenträger in Tennissocken.
Derlei Stillosigkeit ist an sich nichts Schlimmes, aber sie stempelt die Betroffenen ab –sie werden oft nicht für voll genommen. Nicht jeder muss gleich so knietief in die Kultur der Gastgeber „eintauchen“, wie die gängige Reisewerbung suggeriert, aber dass beispielsweise Tintenfisch richtig lecker schmecken kann, findet nur heraus, wer ihn probiert. Das funktioniert allerdings nur, wenn Touristen nicht als Objekte oder gar Witzfiguren wahrgenommen werden, sonst lassen sie sich mit „Spezialitäten“ auf viersprachigen Speisekarten abspeisen und glauben, sie hätten königlich getafelt. Oder sie stellen sich geduldig in lange Schlangen, weil Tripadvisor sagt: Da musst du hin.
Tipp 6 für bessere Touristen: Probiere aus, was sich bietet – am besten nichts Vorgekautes.
Was du nicht willst, das man dir tu…
Oh Gott, müssen wir hier Trinkgeld geben? Kaum eine Frage hören Reiseleiter so oft wie diese. Dabei stellt sie sich gar nicht. Trinkgeld gehört dazu – aus Anstand und Achtung. In diesem Fall ist das „nur“ ein ungeschriebenes Gesetz, in anderen Zusammenhängen geht es um Rechte, die jedem zustehen. Das Personal im Hotel zum Beispiel muss sich nicht abkanzeln lassen, auch wenn das Frühstück oder der Zimmerstandard nicht den Erwartungen entspricht.
Ist eigentlich klar, passiert aber trotzdem ständig. Natürlich: Jeder kann mal aus der Haut fahren. Aber wer seinen Status als zahlender Tourist ausnutzt und andere als minderwertig behandelt, verletzt dieselben Persönlichkeitsrechte, die wir für uns selbst ganz selbstverständlich einfordern.
Manchmal merken wir gar nicht, dass wir andere um ihre Rechte bringen. Zum Beispiel, wenn wir in einem Strandhotel absteigen, für das ein Fischerdorf weichen musste, ohne deren Bewohnern ein Einspruchsrecht einzuräumen. Die können dann nicht mehr ihren Lebensunterhalt verdienen. Ist das mein Bier? Allerdings. Aber woher soll ich wissen, dass hier mal ein Fischerdorf stand? Weil ich mich vorher schlau gemacht habe (s. Tipp 3).
Tipp 7 für bessere Touristen: Menschenrechte gelten auch im Urlaub!
Free Willy
Wer Elefantenreiten googelt, erhält als Ergebnis mittlerweile mehr Tierschutzeinträge als Reitangebote – zum Glück. Denn Urlaubsvergnügungen mit Tieren sind meist eine einseitige Angelegenheit. Spaß auf Kosten von Elefanten und Delfinen – um nur die gängigsten Angebote zu nennen – gehören nicht auf die Bucket List, sondern verboten. Größtenteils passiert das auch schon, aber der Markt ist vielfältig und längst nicht alle haben mitbekommen, dass Tiere auch Freiheitsrechte haben.
Tipp 8 für bessere Touristen: Tierschutz geht vor!
Erst fragen, dann klicken
Wie verstörend es sein kann, wenn Touristen das Urlaubsland nur durch die Linse ihrer Kamera wahrnehmen, hat Lars in Blackbox Neuseeland eindrucksvoll beschrieben. Noch problematischer ist es, wenn dabei auch Menschen aufs Korn genommen werden. Damit die so authentisch wie möglich wirken, wird einfach draufgehalten. Ob den Betroffenen das recht ist? Was sollen die schon dagegen haben, ist ja nur ein Foto…
Wer so denkt, sollte selbst mal Gegenstand einer Fotosafari werden. Wie wäre es zum Beispiel, wenn beim nächsten Marktbesuch eine Gruppe Touristen aus dem Nichts auftaucht und wie wild anfängt zu fotografieren. Keine schöne Vorstellung, oder? Außerdem dürfen die das doch gar nicht, ohne mich vorher zu fragen! Und schon gar nicht will ich die Bilder später in den sozialen Netzwerken wiederfinden!
Ungefragt Menschen fotografieren verstößt gegen die Persönlichkeitsrechte. Erst wenn die Betroffenen einwilligen, darf der Auslöser gedrückt werden. Auch eine Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung. Höfliche Fotografen lassen den Porträtierten die Bilder zudem anschließend elektronisch zukommen, wenn es eine Möglichkeit gibt.
Tipp 9 für bessere Touristen: Nahaufnahmen von Menschen nur mit deren Einwilligung.