Beirut: Bilder im Kopf
Wer zum ersten Mal nach Beirut kommt, hat oft vorher schon jede Menge Bilder im Kopf. „Paris des Nahen Ostens“, Bürgerkrieg, Partytown, Checkpoints, Kunstszene, Verkehrschaos, Religionsvielfalt, Gotteskrieger – hier prallen Klischees und Gegensätze aufeinander, immer schon. Auf der einen Seite gibt es das Beirut der Reichen und Schönen, auf der anderen die Tristesse jahrzehntealter Flüchtlingslager. Diese Kontraste deckt ein kurzer Stadtspaziergang natürlich nicht alle ab. Trotzdem ist der knapp fünf Kilometer lange Rundgang als Beirut Reisetipp ein guter Einstieg, weil die zerrissene Stadtgeschichte immer mitläuft. Und weil er zeigt, wie die Beiruter mit dieser Zerrissenheit irgendwie klarkommen – was an ein Wunder grenzt.
Der wichtigste Beirut Reisetipp: Triff eine Auswahl
Beirut ist schwer zu fassen. Das hat mit dem Stadtbild zu tun, aber auch mit den politischen Fraktionen, die wiederum auf das Stadtbild Einfluss nehmen. Orientierung bietet im Zweifel das Mittelmeer, aber auch das ist mit Vorsicht zu genießen, weil Beirut auf einer Halbinsel liegt und das Meer in entgegengesetzten Richtungen auftauchen kann.
Der wichtigste Beirut Reisetipp lautet deshalb: Nimm dir nicht zu viel vor. Um das Programm überschaubar zu halten, lässt dieser Stadtspaziergang die fast fünf Kilometer lange Corniche aus. Die sparst du dir am besten für einen eigenen Spaziergang auf – oder schlüpfst gleich in deine Joggingschuhe und machst es wie viele andere Beiruter auch.
Das Grand Meshmosh: Idealer Ausgangspunkt für deinen Stadtspaziergang
Hotels gibt’s in Beirut wie Sand am Meer, aber dieses ist schon etwas Besonderes. Es ist sehr jung – das gilt für die Macher und die Gäste – und verfolgt ein Mischkonzept aus Hotel und Hostel. Nachhaltigkeit spielt eine große Rolle und äußert sich zum Beispiel darin, dass jeder Gast als Extraservice eine Glasflasche mit Wasser mit auf sein Zimmer nehmen darf. Dafür fehlen Minibar und Fernseher – ich habe es überhaupt nicht vermisst.
Café und Frühstücksraum sind identisch, an der Bar gibt es Erfrischungsgetränke und wunderbare Fruchtsäfte, Wasser ist umsonst und wenn es nicht zu heiß ist, kann man prima auf der Terrasse sitzen. Das alles würde schon für einen Beirut Reisetipp reichen. Dazu kommt der günstige Standort: Das Grand Meshmosh liegt im Ostbeiruter Ashrafieh-Viertel direkt an der L’Escalier de Saint-Nicolas, Schauplatz diverser Open-Air-Kunstausstellungen. Die große Mohammed-al-Amin-Moschee im Zentrum von Beirut ist nur einen knappen Kilometer entfernt. Einen besseren Ausgangspunkt für deinen Stadtspaziergang gibt es nicht.
Durch das Partyviertel Gemmayzeh
Dein Stadtspaziergang führt durch die Rue Gouraud im Gemmayzeh-Viertel, das neben dem Hafenviertel Mar Mikhael als erste Ausgeh-Adresse gilt. Tripadvisor spricht gleich schon mal vom „Greenwich Village“ oder „Soho von Beirut“, aber ob das wirklich stimmt, findest du am besten selbst heraus. Die meisten Pop-up-Läden, Restaurants, Cafés und Bars liegen direkt an der Rue Gourard. Von der zweigen verschiedene schmale Gassen ab, unter anderem die Saint-Nicolas-Treppe, von der oben schon die Rede war.
Abgesehen von der gastronomischen Szene lebt das Viertel von den vielen Hausfassaden aus der französischen Kolonialzeit, die allerdings zum Teil sehr vernachlässigt sind. Trotzdem – das ist ein Beirut Reisetipp, der auch für andere Viertel gilt – lohnt es sich, beim Flanieren auch mal nach oben zu gucken
Aus Alt mach Neu: Beirut Reisetipps „Green Line“ und Mohammed-al-Amin-Moschee
Nach rund 900 Metern quert der Spaziergang eine moderne Straße. Die hat nichts Auffälliges an sich, aber genau das macht sie so bemerkenswert. Denn hier, entlang der Damascus Street, verlieft im Bürgerkrieg die Demarkationslinie zwischen dem muslimisch geprägten Westteil der Stadt und den überwiegend christlichen östlichen Vierteln. Anders ausgedrückt: Wer diese Straße, auch „Green Line“ genannt, überqueren wollte, lief Gefahr, von Scharfschützen ins Visier genommen zu werden. Dennoch gab es nicht wenige Beiruter, die dieses Risiko häufig auf sich nahmen, zum Beispiel weil sie Verwandtschaft im anderen Teil der Stadt hatten.
Doch das ist Vergangenheit. Gleich an der nächsten Kreuzung erhebt sich heute der massive Bau der Mohammed-al-Amin-Moschee, der Beirut Reisetipp par excellence. Die gerade mal elf Jahre alte Hauptmoschee der Stadt liegt Tür an Tür mit der maronitischen St. Georg-Kirche und Ruinen aus römischer Zeit. Wer sie von innen ansehen will – kein Problem, sie steht auch Nichtmuslimen zur Besichtigung offen. Ihre Entstehung verdankt sie dem großangelegten Sanierungsprogramm des Beiruter Zentrums. Das war durch den Bürgerkrieg weitgehend zerstört. Was noch stand, hobelte der Wiederaufbau komplett weg und ersetzte es durch eine monumentale Architektur, die osmanisch, modern und Art Déco zugleich sein will.
Was gibt’s denn hier zu sehen? Radikalsanierter Märtyrerplatz
Besonders krass hat es den Märtyrerplatz erwischt. Der war zwar vor dem Bürgerkrieg keine architektonische Ikone, aber immerhin ein historisch gewachsenes Ensemble. Davon ist nichts mehr übrig. Dahinter steckt Solidere, ein Akronym für „Société Libanaise pour le Développement et la Reconstruction du Centre-ville de Beyrouth“. Gegründet 1994 und großzügig ausgestattet mit Finanzmitteln aus der Privatschatulle des damaligen Ministerpräsidenten Rafik Hariri, öffnete die Aktiengesellschaft profitgierigen Immobilienfirmen Tor und Tür.
Das Ende vom Lied: Eine Liste von ursprünglich über 1.000 Gebäuden, die das libanesische Kultusministerium 1996 als schutzwürdig einstufte, schrumpfte bis 1998 auf nur noch 209 Einträge. Der Rest wurde dem Erdboden gleichgemacht. Danach schossen die Mieten in astronomische Höhen. So beträgt die Miete einer Dreiraumwohnung im Stadtzentrum mit 1.800 Euro etwa das Doppelte des durchschnittlichen Nettolohns. Für viele Beiruter, namentlich Stadtplaner, ist Solidere deshalb ein rotes Tuch – der Name entfacht bis heute hitzige Kontroversen. Und mit dem Märtyrerplatz ist es wie mit der Damascus Street: Gerade die nichtssagende Erscheinung macht ihn zum Beirut Reisetipp – und damit zu einer wichtigen Station auf diesem Spaziergang.
Hingucker auf jedem Stadtspaziergang: „The Egg“
Nur an einem Gebäude beißen sich die Immobilienhaie bislang buchstäblich die Zähne aus: „The Egg“. Das Betongebäude ist Brutalismus pur und geht auf Pläne des libanesischen Architekten Joseph Philippe Karam (1923-1976) zurück, der hier ein „Beirut City Center“ verwirklichen wollte. Doch dann kam der Bürgerkrieg und das Projekt, das – damals hochmodern – Kultur, Kommerz und Büroflächen verband, blieb unvollendet.
In diesem Ensemble war „The Egg“ die Rolle eines Kinosaals zugedacht. Heute steht der Bau in einer Trümmerlandschaft und ist ein Muss auf jedem Stadtspaziergang. Seine Oberfläche ist übersät von Einschusslöchern. Inmitten der glatten Architektur wirkt dieses seltsame Objekt wie vom Himmel gefallen. Grassroots-Initiativen wollen es erhalten – als eines der wenigen Relikte des Vorkriegs-Beirut im Zentrum der Stadt.
Politischer Beirut Reisetipp: Die Nationalversammlung
Erstaunlich, dass in einer Stadt wie Beirut das Parlamentsgebäude kaum gesichert ist. Auf dem Platz davor patrouillieren ganze zwei Militärpolizisten. Vielleicht liegt es daran, dass das Parlament in den Augen der Beiruter nach wie vor eine hohe demokratische Legitimität besitzt. Auch während des Bürgerkriegs hat es durchgehend funktioniert.
„Libanon ist eine Demokratie, du kannst sagen, was du willst“, gab kürzlich Sfeir-Semler, international einflussreiche Galeristin und ausgewiesene Expertin für zeitgenössische Kunst im arabischen Raum, in der Welt zu Protokoll. „„Du kannst für deine Meinung getötet werden, aber du kannst sie äußern.“ Diese Art von Optimismus ist ziemlich typisch für aufgeklärte Libanesen. Die Nationalversammlung verkörpert diese Haltung und ist die vielleicht wichtigste politische Station auf diesem Stadtspaziergang.
Abgesehen davon liegt sie am Place de l’Étoile – den gibt es in Beirut nämlich auch. Hier ist alles Art Déco, einschließlich dem Uhrenturm in der Mitte. Der hat den Bürgerkrieg unbeschadet überlebt, weil er vorher demontiert und danach wieder an Ort und Stelle aufgebaut wurde.
Beirut Reisetipp spezial: Auf dem Platz stehen große Bäume – wie gemacht für eine Pause im Schatten. Vielleicht holst du dir vorher noch bei Al Antabli einen der legendären Fruchtsäfte. Der Laden ist seit 1936 eine Institution in Beirut. Während des Bürgerkriegs musste er schließen, aber 2011 hat er am alten Ort wiedereröffnet. Die Qualität der Säfte, Süßigkeiten und Eisspezialitäten ist immer noch hoch. Geändert hat sich allerdings die Umgebung: Der früher hier pulsierende orientalische Souq ist einer Glitzer-Mall gewichen.
Vielfalt der Religionen: die al-ʿUmarī-Moschee
Noch ein Muss auf jedem Spaziergang durch Beirut ist diese Moschee, vor allem dann, wenn draußen flirrende Hitze herrscht. Angefangen hat der Bau als Kreuzfahrerkirche. Als die Kreuzritter vertrieben waren, machten die neuen mamlukischen Herrscher daraus eine Moschee. Schon die angenehm kühle Vorhalle verrät mit ihren vielen verschiedenen Bauelementen die wechselvolle Geschichte. Im Innern: hohe Gewölbe, mächtige Pfeiler, ein roter, weicher Teppich und vor allem Stille – in Beirut ein echter Luxus.
Römisches Bad und Grand Serail
Serail hört sich sehr orientalisch an und ist es auch: Das „Große Serail“ haben die Osmanen gebaut zu einer Zeit, als sie noch eine Weltmacht waren. Im Gegensatz zum Parlament ist das riesige Gebäude durch Stacheldraht gesichert und weiträumig abgesperrt. Offenbar baucht der libanesische Ministerpräsident, der hier residiert, mehr Schutz als die Parlamentarier unten in der Nationalversammlung. So weit hergeholt ist das in der Tat nicht: Rafik Hariri, der erste Ministerpräsident nach dem Ende des Bürgerkriegs, fiel 2005 einem Attentat zum Opfer.
Unterhalb des Serail-Hügels führt der Stadtspaziergang an einem in Teilen ausgegrabenen römischen Bad vorbei. Gut erkennbar sind noch die Hypokausten. Das sind kleine, in Reih und Glied angeordnete Ziegelsäulen, die den doppelten Boden der Badeanlage trugen und damit eine Fußbodenheizung ermöglichten. Beirut Reisetipp spezial: In der Touristensaison bilden die Ruinen die Kulisse für Open-Air-Konzerte, zum Beispiel während des Beirut Spring Festival.
Das alltägliche Beirut: Im Viertel Zoqaq el-Blat
Auffällig sind die verhängten Balkone der Hochhäuser. Sie schützen vor der Sonne, aber auch vor neugierigen Blicken – so können die Frauen auch mal Luft schnappen, ohne sich zu verschleiern. Zoqaq el-Blat ist ein mehrheitlich muslimisches Viertel, auch wenn das heute nur wenig Aussagekraft hat. Anders als während des Bürgerkriegs ist es kein Problem mehr, als Christ in einem muslimischen Stadtteil zu wohnen oder umgekehrt. Genauso leben Schiiten und Sunniten Tür an Tür, was vor 20 Jahren noch undenkbar war.
Das mit Abstand bodenständigste Viertel auf diesem Stadtspaziergang kennt weder Hipster noch Partygänger. Stattdessen leben hier ganz normale Leute, und auf der Straße sind Verkäufer mit vollgeladenen Handkarren unterwegs. Viele Hausfassaden wirken renovierungsbedürftig, vor allem die kolonialzeitlichen. Um sie zu renovieren, fehlen das Geld und der politische Wille. Lieber reißen Immobilienfirmen wie Solidere alles ab und pflanzen ihre Wohn- und Bürotürme aus Beton und Glas mitten in die alte Wohnbebauung. Es ist deprimierend, das mitanzusehen.
Gleich gegenüber von einer dieser Bausünden residiert seit 1963 das Orient-Institut Beirut in der schönen ehemaligen Villa Maud Farajallah. Ursprünglich diente es der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft als Sitz, mittlerweile gehört es zur Max-Weber-Stiftung. Hier forschen internationale Geistes- und Sozialwissenschaftler mit einem Fokus auf die arabische Welt und den weiteren Mittleren Osten. Ein Beirut Reisetipp für Bibliophile: Der Eingangsraum der umfangreichen Institutsbibliothek ist wegen seiner original erhaltenen Holzvertäfelung besonders sehenswert.
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Kulinarischer Beirut Reisetipp: Kebabs essen im Barbar
Hunger? Dann nimm noch ein letztes Mal die Füße in die Hand und laufe die letzten 1,4 Kilometer. Dein Ziel: Barbar im Stadtteil al-Hamra. Abgesehen davon, dass du hier in einem der angesagtesten Viertel der Stadt bist, ist das Barbar eine der ersten, wenn nicht sogar DIE kulinarische Adresse in Beirut. Dieser Imbiss hat schon immer alle Beiruter versöhnt, selbst während des Bürgerkriegs aßen hier Kämpfer verfeindeter Parteien Seite an Seite ihr Kebab. Nicht mal, als eine Granate in den Eingang einschlug, machte der Laden zu.
Der Grund: Das Essen ist einfach Weltklasse. 2013 setzte CNN Barbar auf Platz 1 einer Liste der fünf besten Kebab-Buden weltweit. Also unbedingt ausprobieren – ein besseres Finale für diesen Stadtspaziergang gibt es nicht!