Tipp 4: Stadt der Handwerker
Die Weinbaukommission der hiesigen Vinho-Verde-Region hat Stil. Und Geld. Sie logiert im Palacete Silva Monteiro, einem Palast, der einmal als die luxuriöseste Residenz in ganz Porto galt. Sein Namensgeber hatte als Handelsherr in Brasilien ein Vermögen gemacht und nach seiner Rückkehr einen Teil davon in diesem Prachtbau angelegt. Das war gegen Ende des 19. Jahrhunderts.
Spektakulär ist vor allem die Inneneinrichtung, die nach umfassender Restaurierung in altem Glanz erstrahlt. Sie erzählt nicht nur vom Reichtum des Bauherrn, sondern auch von außerordentlicher Handwerkskunst. Viele Paläste und Herrenhäuser haben davon profitiert – und natürlich die Kirchen. Gerade die Kirchen! In Porto stehen Kirchen, die von oben bis unten mit blauen Kachelbildern geschmückt sind. Die Einheimischen sehen das schon gar nicht mehr, für sie ist das Kunst des Alltags. Ich denke an kostbares Teegeschirr.
Und wo sind die Handwerker heute? Es gibt sie noch in Porto. In einer Seitenstraße entdecke ich einen Metallwarenhändler nach dem nächsten – lauter kleine bis klitzekleine Läden, vollgestopft mit Schrauben, Drähten, Rohren, Nägeln, Werkzeug aller Art. Sie würden nicht existieren, wenn es keine Kundschaft dafür gäbe. Die Krönung dieser traditionellen Eisenwarenläden finde ich an der Rua Belmonte, nicht weit weg vom Börsenpalast. Das Geschäft ist erstaunlich geräumig, die Waren fein säuberlich in den Regalen aufgestellt und gestapelt. Und dann gibt es da diesen maurischen Bogen, der aus profanen Gegenständen eine Art Wunderkammer aus 1001 Nacht macht. Und wieder: Kunst des Alltags. Was für ein Unterschied zu unseren tristen Baumärkten!
Tipp 5: Kunst des Alltags – kulinarisch gesehen
Jetzt geht es buchstäblich um die Wurst. Selbst gemacht natürlich und geschmacklich ziemlich raffiniert, verpackt in nichts anderes als wohlklingende Namen. Chourico Vinho de Lamego – Wurst mit Wein aus dem Anbaugebiet Lamego am mittleren Douro. Oder Salpicão do Cachaça – Paprikawurst mit Zuckerrohrschnaps. Die liegen hier einfach so rum, auf dem Tresen. Daneben Käse aus der Region, von den Azoren und anderswo. In offenen Schubladen Nüsse und Rosinen, in anderen Schubladen Drops. Säckeweise Kastanien und natürlich der unvermeidliche Bacalhau, meist aus Island oder Norwegen. Ein paar Meter geballte Kunst des Alltags.
Was ist denn das, frage ich und stehe vor einem Eimer mit Stöcken drin, genau in Gesichtshöhe. Canela, sagt die freundliche Frau hinter dem Tresen ungerührt: Zimt. Große alte Kolonialmacht Portugal, denke ich. Von der ist doch längst nichts mehr übrig, wird immer behauptet. Von der Macht vielleicht nicht, aber von dem Erbe reichlich. Ein Teil davon steht hier vor mir in diesem Eimer, in einem unscheinbaren Laden mitten in Porto. Klar, Zimt ist Baumrinde, aber meine supermarktverpackungsverseuchten Sehgewohnheiten sind nicht darauf vorbereitet, dass Zimtrinde so rindig aussehen kann!
Tipp 6: Ein Gebrauchsmarkt
Um es gleich vorweg zu sagen: Touristen gibt es auf dem Mercado do Bolhão auch. Aber selten haben sie mich so wenig gestört – sie spielen nur eine Nebenrolle. Vielleicht bin ich zu einem günstigen Zeitpunkt da und die Touristen sitzen jetzt, um kurz nach eins, alle beim Mittagessen. Andererseits: Eigentlich sind ja die Portugiesen die Lunch-Fetischisten… Ein Tag ohne warme Mahlzeit am Mittag? Undenkbar, jedenfalls vor der Krise! Wie auch immer, heute geht es hier sehr entspannt und einheimisch zu – ein guter Platz, um ein bisschen Kunst des Alltags zu erleben.
Das Marktgebäude hat einen zweistöckigen überdachten Umgang, in der Mitte guckt der Himmel hinein. Der Bau hat schon bessere Tage gesehen, etwa die Hälfte steht leer. Jetzt gibt es Pläne, den Markt zu restaurieren – hoffentlich so, dass die Atmosphäre des Ortes erhalten bleibt. Die lebt davon, dass nichts herausgeputzt ist. Alles ist so alltäglich, wie es nur sein kann – ein Gebrauchsmarkt im Viertel. Das heißt nicht, dass hier nicht auch mal kunstvoll hochgestapelt wird.
Und das heißt auch nicht, dass es keine Überraschungen gäbe. Auf deutschen Märkten liegen Hühner für gewöhnlich nackt und tot hinter der Scheibe des Metzgerstandes – ohne Kopf, Federn, Füße und Eingeweide. Hier sehe ich das Gegenteil: in enge Käfige eingesperrte Hühner, die laut gackern, wenn sie zur Begutachtung herausgezogen werden – Frischfleisch ohne Kühlung. Das ist nichts für Vegetarier oder Tierschützer, aber der traditionelle – und vermutlich ehrlichere – Umgang mit dem Fleischkonsum. Denn im Kochtopf landen sie alle, ob mit Federn oder schon per Massenabfertigung geschlachtet und klinisch aufgebahrt.
Wer’s unverfänglicher mag, lässt sich vom Gemüse der Saison inspirieren, denn davon gibt’s reichlich. Und erst das Obst! Hier schmecken sie nämlich, die Mangos und Papayas, weil sie reif sind, auch wenn sie nicht im Land wachsen. Ein kulinarisches Großereignis sind die einheimischen Orangen: schwer, groß und wegen ihrer dicken Schale so gehaltvoll und saftig-aromatisch, dass eine davon fast schon eine eigene Mahlzeit abgibt. Die tägliche Orange in den Wintermonaten gehört definitiv zur Kunst des Alltags!
Tipp 7: Portwein aus dem Regal
Ich will niemanden davon abhalten, auf die andere Douroseite nach Vila Nova de Gaia zu gehen – der Blick auf Porto und die Brücke Dom Luís I ist fantastisch. Aber dort Portwein zu kaufen lohnt sich nicht. Den gibt es in Porto an jeder Ecke, im Zweifelsfall sogar zu günstigeren Preisen. Außerdem lässt sich der Kauf ideal mit dem Besuch in einem der wunderbaren portugiesischen Tante-Emma-Läden verbinden.
Tante Emma ist vielleicht nicht der richtige Name, eher haben diese Geschäfte Ähnlichkeit mit alten Apotheken. Daran erinnern mich jedenfalls die langgestreckten und oft penibel bestückten Wandregale. Da stehen alle Lebensmittel drin, die man im Haushalt so braucht. Manche Läden machen eher auf Feinkost, andere sind handfest und bodenständig. Ganz wichtig ist der langgestreckte Tresen, der die Welt in Käufer und Verkäufer teilt und über den jedes Geschäft persönlich und mit der gebotenen Aufmerksamkeit abgewickelt wird. So wird selbst der kleinste Einkauf zu einer Kunst des Alltags.
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Service
Bei Deinem Bummel durch Porto ist Dir bestimmt aufgefallen, das Porto eine Hauptstadt der Streetart ist. Gabriele und Michael vom Reiseblog Hierdadort haben dazu den sehr empfehlenswerten Guide Street-Art-Tour durch Porto geschrieben. Mit dem findest Du Dich schnell zurecht und lernst dabei die wichtigsten Artist in Porto kennen.
Die besuchten Läden liegen alle im historischen Zentrum und sind gut zu Fuß zu erreichen:
- Art-déco-Kaufhaus Armazens Cunhas: Praça Gomes Teixeira 14/22
- Eisenwarenladen: Ferragens Fermoura, Rua Belmonte 40
- Laden mit Würsten und Zimtstangen: Casa Chinesa, Rua Sá da Bandeira 343 (Nähe Metrostation Bolhão)
- Mercado do Bolhão (direkt an der gleichnamigen Metrostation)
- Feinkostladen: Casa Natal, Rua de Fernandes Tomás 833 (Nähe Metrostation Bolhão)
Das Straßenbahnmuseum (Museu do Carro Eléctrico) liegt unten am Douro in der Alameda Basílio Teles Nr. 51. Infos über Fahrten mit den drei historischen Straßenbahnlinien gibt es hier.
Die Adresse des Palacete Silva Monteiro/Casa do Vinho Verde lautet: Rua da Restauração 318. Der Palast liegt nicht weit oberhalb des Weinmuseums von Porto. Es gibt keine offiziellen Besichtigungszeiten. Auskunft erteilt die Organisation ACER – Associação Cultural de Estudos Regionais (nur Portugiesisch).