Reiseglück in Portugal
Deutschland, Frankreich, Spanien, schon zwei Wochen dauert unser Roadmovie durch Portugal. Ist schon erstaunlich, wie unterschiedlich sich das Fahren durch verschiedene Länder anfühlt. Und wie anders sich jedes Land fährt. Streckenweise verwischt alles zu verschwommenen Landschaften. Mal stellt sich der Blick scharf, springt eine Szene wie ein Diapositiv ins Gehirn. Und bleibt. Oft ist es so schön, dass ich einfach grinsen muss. Auch beim Fahren. Oder vor Erschöpfung ob all dieser Eindrücke zwischendrin ein paar Minuten dösen. Das dann aber nur auf dem Beifahrersitz.
Ein Besuch in Sintra ist ein absolutes Muss. Nicht nur für Könige und Romantiker, auch für die Hauptfiguren dieses Roadmovies durch Portugal, das seinen Anfang in Chaves, im Norden des Landes, genommen hat (siehe Portugal ein Roadmovie – Teil 1). Die ganze Region Sintra ist von der UNESCO klassifiziert, in Stadt und Kreis versammeln sich 15 Monumentos Nacionais an der Zahl. Am eindrücklichsten finde ich das Palácio Nacional de Sintra, der bis ins 20. Jahrhundert hinein Sommersitz der Könige war. Zu gerne hätte ich die Küche mit ihren riesigen Kamin-Schornsteinen mal in Action gesehen. Doch allein die konischen Schornsteine in der Palastküche sind ein Hingucker.
Casceis y Estoril
Wer noch ein wenig in royaler prunkvoller Stimmung schwelgen möchte, dem sei Casteis y Estoril empfohlen. Doch es müssen ja nicht immer Schlösser sein, der dortige Yachthafen ist auch nicht schlecht… Casteis y Estoril und Sintra lassen sich gut an einem Tag besuchen. Reiseveranstalter bieten diese Kombination gern als Tagestrip an. Ob Individualreisende oder Gruppen. Bis heute profitiert die sonnenbegünstigte Bucht von der Entscheidung König Luis I. Ende des 19. Jahrhunderts, Casteis y Estoril zu seiner bevorzugten Sommerresidenz zu machen. Zahlreiche Villen und Paläste zeugen noch heute davon, dass ihm damals viele reiche Familien nachfolgten. Bei 260 Tagen Sonnentagen pro Jahr am Atlantik (!) auch wirklich kein Wunder.
Cabo da Roca wollen wir uns nicht entgehen lassen. Immerhin westlichster Festlandpunkt des Kontinentes Europas. „Hier …. Wo die Erde endet und das Meer beginnt…“ hat Muís de Camoes den Ort einst bedichtet. Hier heute vergleichbar in Stimmung zu kommen ist gar nicht so einfach. Von Sintra aus fahren regelmäßig Busse hierher, auch sonst ist der Parkplatz voll. Das touristische Gedränge und Gepose vor der steinernen Hinweistafel „Ponta mais Ocidental do Continente Europeu“) wird uns schnell zu viel. Also ziehen wir weiter. Nicht jedoch, ohne es in Cabo de Sao Vicente, dem südwestlichsten Punkt Kontinentaleuropas, noch einmal versuchen zu wollen. Anscheinend blicke ich nicht nur gern von Türmen und Dächern hinab auf städtisches Treiben, sondern auch von Steilküsten herunter auf tosende Fluten. Und da unten bei Sagres soll die See noch eine Ecke wilder sein.
Lissabon – Die Hauptstadt Portugals
Allein in Lissabon kann man einige Wochen bleiben, so viel gibt es hier zu sehen. Wie bei jedem Stadtbesuch lohnt es, im Vorfeld zu schauen, welche Museen an welchem Tag geschlossen haben. Beim 1601 eröffneten Kloster Belem, dem Mosteiro dos Jerónimos, ist es überraschenderweise, ähäm, der Montag. Nach fast drei Wochen unterwegs spielen Wochentage anscheinend immer weniger eine Rolle. Kommen wir halt am nächsten Tag noch einmal wieder und essen heute mehr Pastéis de Belem.
Das Kloster von Belem, wo auch die Pastéis-Legende ihren Anfang nahm, gilt als das bedeutendste Werk der Manuelinik, einer interessanten, portugiesischen Variante der Spätgotik mit leichten Renaissance-Anklängen. Und wer es besucht, sollte in jedem Fall ein bisschen Zeit mitbringen und vorher und (!) nachher ein paar der mittlerweile legendären Creme-Törtchen futtern. Die kann man sich ja beim Bestaunen des Seefahrer Monuments Vaco da Gama wieder abtrainieren.
Lissabon ist eine Stadt zum Verlieben. Wer schon hoffnungslos verliebt ist, dem sei gesagt, auch heiraten kann man da vortrefflich. Im Stadtteil Estrela zum Beispiel gibt es ein Boutique Hotel namens „The House“. Von deren wunderbarer Dachterrasse aus kann man viele Sehenswürdigkeiten von Lissabon erblicken. Unter anderem Castelo de Sao Jorge aka „Die Burg“, die Basilika von Estrela, den Jardim do Prinçipe Real oder Sé de Lisboa, die auch Igreja de Santa Maria Maior oder Catedral Sé Patriarcal genannt wird, bis runter zum Fähranleger am Cais do Sodre. Am anderen Ufer des Tejo breitet Cristo-Rei, die Christus-Statue, ihre Arme in Almada aus. Mit einem Hut zum Schutz vor der Sommersonne und einem kühlen Getränk ein charmanter und für mich persönlich auf ewig sehr bewegender Ort.
Unterhalb der Festungsanlage „Die Burg“ gibt es ein kurioses Restaurant, das Chapito à mesa. Abgesehen davon, dass man hier von Wild bis vegetarisch wirklich lecker essen kann, ist die Aussicht über die Lissaboner Altstadt wieder spektakulär. Als „Stadt der sieben Hügel“ (mittlerweile sind es durch die Ausbreitung der Stadt schon weit mehr als sieben) offenbart Lissabon einfach von jedem Blickwinkel aus neue Schätze. Oder verbirgt sie in einer Falte der ausgeworfenen Oberfläche, die wiederum erst von einem anderen Hügel aus sichtbar wird. Für Flachlandbesucher auch in guten Schuhen ein astreines Wadentraining. Und anscheinend eine Frage der Gewöhnung, denke ich jedes Mal, wenn mich bei meinen Erkundungstouren zu Fuß uralte krummbeinige Frauen und Männer leichtfüßig in doppelter Geschwindigkeit überholen.
Ich gebe es zu. Das Chapitô ist schon lange kein Geheimtipp mehr. Hingehen sollte man dennoch in jedem Fall, sei es auch nur auf einen Drink. Möglichst unter der Woche (nicht am Wochenende, da beherrschen große Gruppen aus Junggesellinnenabschieden oder Geburtstagsrunden das Parkett) und mit einer bestätigten Reservierung. Das, was hier so gern mit Ambiente umschrieben wird, ist neben der tollen portugiesisch, europäischen Küche sicher die Tatsache, dass es sich beim Chapitô um eine berühmte Zirkusschule und ein Zentrum für Darstellende Kunst handelt. Und dass man einen Arts and Craft Shop durchqueren muss, um hinein zu kommen. Wer es schafft, hier nichts zu kaufen, möge mir bitte verraten, wie das geht. Mir ist es nämlich nicht gelungen.
Pousadas und Mühlen-Noblesse in Setúbal
Lissabon zu verlassen fällt nicht leicht. Aber der Witz an einem Roadmovie ist ja, dass man sich nach gepflegten Boxenstopps auch wieder in Bewegung setzt. Und weiter fährt. Unser Weg führt uns über die imposante Hängebrücke Ponte 25 de Abril Richtung Süden. Wir zwinkern der Schönen am Tejo noch ein letztes Mal durch den Rückspiegel zu, bevor der Verkehr unsere volle Aufmerksamkeit fordert. Immerhin fließt er dreispurig in beide Richtungen, nach Alcântara und nach Almeda und nebendran saust noch die Eisenbahn entlang.
Weiter geht es auf der A2/IP7 in die Estremadura, nach Setubal. Eine schmucke Halbinsel, die natürlich mit einer Festung an einer Klippe aufwarten kann. In der Festung Sao Filipe ist heute eine der 41 „Pousadas de Portugal“ installiert. Schmucke Unterkünfte, die sich meist in denkmalgeschützten oder zumindest historisch bedeutenden Gebäuden befinden wie Klöster, Paläste, Schlösser, oder eben Burgen.
„pousar – landen, ruhen, im Sinne von ausruhen“
Ohne vorherige Buchung bekommen wir so spontan natürlich kein Zimmer mehr. Aber eine freundliche Empfehlung an eine ehemalige Mühle, die ihre Verwandlung in stilvolle und gemütliche Appartments formvollendet vollzogen hat. Und ein total gediegenes Abendessen in der Gesellschaft wohlsituierter Paare, bestehend aus wichtigtuerischen (Alpha)Männern und vornehm gelangweilter, leicht orientierungsloser Damen, die wir kichernd „Pousada Pussies“ nennen. Die etwas spitzen Scherze und das fantastische Essen trösten uns wacker über den immer noch existenten Abschiedsschmerz von Lissabon hinweg. Am nächsten Morgen hüpfe ich erst einmal in den Pool der romantischen Mühle und spiele noch ein bisschen Pousada Pussy. Nur langweilig will mir beim besten Willen nicht werden.
Auf unserem Roadmovie durchs Alentejo Central
So schön die Unterkunft ist, die Zeit tickt, der Geldbeutel wird leichter und es ist noch so viel Portugal übrig, auf dieser kleinen Tour mit dem Auto quer durchs Land der Seefahrer und Abenteurer. Nachdem wir unsere Herzen bis zum Rand mit Atlantikbildern angefüllt haben, wagen wir einen Abstecher ins Binnenland. Wir wollen nach Evora. Vor uns liegen genau 100 Kilometer auf der A2 und A6 vorbei an Olivenbäumen und Wein. Nach den geschwungenen Küstenrouten empfinde ich die Straßen im Alentejo als besonders gerade. Nicht US-amerikanisch, wie mit dem Lineal gezogen, aber gerade genug um es zu bemerken. Während wir durch das kleine Land zuckeln, ist aus Frühsommer Hochsommer geworden. Und immer seltener heben sich grüne Farbflecken in der zunehmend versteppten Umgebung ab. Mit dem saftigen Douro-Tal ist diese Subregion des Alentejo, die im Westen an die Halbinsel Sétubal grenzt und im Osten an Spanien, nicht zu vergleichen.
Roadmovie-Stop in Evora
Evora hat mich schwer begeistert. Und das, obwohl die alte, steinerne Stadt im Landesinneren liegt, weit weg von der Algarve oder anderen Küsten. Ob es an der süßesten Pension der Stadt liegt, dass wir uns gleich so gut aufgehoben fühlen? Die Pensao Policarpo liegt in der historischen Innenstadt von Evora. Und das schon seit dem Ende des 17. Jahrhunderts, erbaut für die damaligen Grafen von Lousa. Bisweilen knarzt es leise, die Steinwände scheinen zu singen. Ich bin ich sicher, das gut gepflegte betagte Gebäude erzählt auf diese Weise Geschichten von früher. Aber mit portugiesischem Treppenknarzen ist es ein wenig wie mit der Sprache. Klingt schön, ist für ungeübte Ohren aber schwer zu verstehen. Im Innenhof der Pensao packen wir den Stadtplan aus. Hier ist es angenehm schattig und ruhig.
Auch für einen ersten Orientierungsspaziergang ist diese Unterkunft ein guter Ausgangspunkt, liegt sie doch genau an der historischen Stadtmauer von Evora. Von hier aus führen verwinkelte Straßen zum Diana-Tempel, einem Überbleibsel aus römischer Zeit in der ersten Hälfte des ersten Jahrhunderts naach Chr. Mit seien 14 noch erhaltenen Säumen gilt er als der am besten erhaltene römische Tempel der Iberischen Halbinsel. Jetzt aber Sightseeing. Mit Anlauf. Nach einem Besuch der Kathedrale und der römischen Burg muss es noch in der Knochenkirche sein. Dann muss was zu Essen her. Was Gutes. Aber schnell.
Wir landen in einem klitzekleinen Restaurant, einer Empfehlung von unserem Pensionswirt. Hier trinken wir tolle Weine und essen Carne de Porco à Alentejana, ein Schmorgericht aus Schweinefleisch und Venusmuscheln. Dass der Inhaber ein großer Rebenkenner ist, hätte uns schon gleich beim Bestellen auffallen können. Der von seinem Auftreten her bescheiden wirkende Mann besteht überraschend fest darauf, dass wir uns erst für ein Essen entscheiden, bevor er uns passende Weine empfiehlt. Später sehen wir, mit wem wir es zu tun haben. Einige der Wände sind übersäht mit Fotos des Inhabers mit Politikern und Promis. Na sowas. Die Visitenkarte habe ich leider im road movie-esquen Gepäckgewimmel des Kofferraums verloren, doch wer in der Pensao Policarpo nach „dem Weinkenner mit Restaurant“ fragt, landet sicherlich auch in diesem Kleinod.
Ein buchstäblich krönender Abschluss des Besuchs in Evora ist ein Besuch bei einem Zahnarzt, von dessen Wartezimmer aus man die imposanten Ausmaße des römischen Aquädukts erfassen kann. Die Empfehlung für die Praxis bekommen wie ebenfalls vom netten Pensionswirt. Der unser Kommen gleich dort ankündigt und ein Taxi organisiert. An der akuten Zahnmisere ist, das sei hier ruhig erwähnt, weder der Wein noch das Essen schuld. Und – er hat auch gar nicht gebohrt.
Sagres
Wir verlassen das Alentejo und machen, bevor wir uns die Algarve nach Osten, Richtung Spanien, entlang mäandern, einen Schlenker nach Sagres. Eine Brauerei – des gleichnamigen Bieres – sucht man dort vergebens. Besucher von Sagres berauschen sich am steifen Wind, der hier auch bei sommerlichen Temperaturen heftig vom Atlantik herweht und sich an der südwestlichen Landspitze dramatisch verwirbelt. Sogar der letzten Bratwurst vor Amerika bricht das einen Zacken aus der Pelle.
Der Yachthafen von Sagres macht was her. Aber so aufgetakelt hier alles wirkt, so rauh und durchgepustet bleibt es auch. Dieser Wind, in den man sich fast hineinlegen kann ohne umzufallen, nötigt selbst einer mit allen Salzwassern gewaschenen Norddeutschen phetten Respekt ab.
Olhao
Hier erleben wir Sandalgarve pur und Hinterland galore. Das Watt ist fast wie zuhause, man kann kleine Bootstouren raus zu den vorgelagerten Sandbänken unternehmen, sich auf dem lokalen Fischmarkt in der Markthalle mit frischen Langusten eindecken und durch die Straßen der Stadt streifen. Darüber vergessen wir fast, dass wir noch keine Unterkunft für die Nacht haben, geschweige denn einen Ort, an dem wir unsere Meeresfrüchte zubereiten könnten. So landen wir wenig später tatsächlich in der Touristeninfo und tragen brav unser Anliegen vor. Die schönste Unterkunft von allen, bezahlbar, und ruhig, denn in diesen Tagen findet auch hier schon wieder irgendein großes Fest statt. Es müsse auch nicht in Olhao sein, fügen wir noch hinzu, als wir sehen wie angestrengt die Gute nachdenkt.
Blitzartig hellt sich ihr Gesicht auf, sie greift zum Hörer und nickt uns wenige Sätze in rasend schnellem Portugiesisch später lächelnd zu. So landen wir in Moncarapacho, im Hinterland, bei Michelle und Theo im O Tartufo. Das O Tartufo und sein niederländisches Host-Paar sind ein Glücksfall. Theo, den wir liebevoll Atmosphäre-Man, taufen, ist ein Held der Gastfreundschaft. Er bringt uns reife Feigen, während wir in der Hängematte im Garten chillen und verwandelt das ganze Anwesen abends in ein Lichtermeer aus Kerzen. Gibt uns Tipps für Ausflüge in der Region, und zwar in sehr gutem Deutsch mit österreichischem (!) Akzent. Michelle hat das ganze Haus liebevollst im mediterranen Stil mit maurischen Elementen eingerichtet. Ich mache mir eigentlich nicht viel aus Deko. Und mag es lieber schlicht. Doch hier fühle ich mich richtig wohl, alles ist stimmig und einfach wunderschön. Zwei Nächte bleiben wir, und möchten gar nicht gehen, doch die nächsten Gäste warten schon. Und ob wir wollen oder nicht. So langsam heißt es, Abschied nehmen von Portugal.
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- Sintra – Das Kloster im Wald
- Blumen & Burgen: Wandern im Alentejo bei Belver
- Alentejo – Sommertage am Fluss
- Portugal Reiseberichte
- Beachfeeling in Lissabon. Eine Stadt und ihre Badestrände
Nachklapp
Den langen Rückweg von Portugal nach Berlin bereichern wir um einen Schlenker über Gibraltar. Dieser Wunsch führt uns an Jerez, DER Sherry-Stadt, vorbei und direkt in die wahrscheinlich hässlichste (Grenz)Stadt Spaniens: La Linea de la Conception. Dubiose Gestalten stehen, unbeeindruckt von den sommerlichen Temperaturen, um brennende Mülltonnen herum. Beim Einchecken im Hotel werden wir ausdrücklich gebeten, unser Auto NUR in dem bewachten, abschließbaren Parkhaus abzustellen, von dem aus uns ein Fahrstuhl ins Hotel bringt. Bei einem der unromantischsten Abendspaziergänge der ganzen Reise pilgern wir inmitten des Tagelöhner-Traffics über das Rollfeld, rüber nach Gibraltar. Es ist knallvoll auf dem Affenfelsen. Selbst Monacco ist luftig bebaut dagegen. Es gibt absolut keinen Platz für gar nichts, aber ALLE fahren mit dem Auto. Je schneller und rasanter, desto besser. Eine kleine Nahtoderfahrung auf dem Gipfel des Affenfelsen rundet diesen schrägen Ausflug passend ab. Doch das ist wieder eine andere Geschichte…